Wörterbücher für Geschäftsleute sind voll von Plattitüden. Natürlich sollten sie ihre Kunden kennen, sind ihre Mitarbeiter der wichtigste Vermögensgegenstand und ihre Unternehmen nur so gut wie deren Produkte. Doch bleiben diese Aussagen so lange Binsenweisheiten, wie die Unternehmen nicht wissen, was sie wissen – weil sie die Silogrenzen ihrer zahllosen Systeme und Datentöpfe nicht überwinden können und deshalb keine 360-Grad-Sicht zum Beispiel auf ihre Kunden haben?
Ohne Daten und Informationen ist Wissen nicht möglich. Um aber eine Kundenbeziehung wirklich verstehen und bewerten zu können, reichen Rechnungs- und Lieferdaten nicht aus. Mindestens genauso wichtig ist die Kommunikation zwischen einem Kunden und dem Vertrieb oder Service, und das auf allen Kanälen, schriftlich, mündlich oder über soziale Medien.
Wissen ist also erst dann möglich, wenn Unternehmen in der Lage sind, auf wirklich alle zu einem Kunden oder Lieferanten, Produkte etc. vorhandenen Daten und Informationen zuzugreifen. In einem zweiten Schritt müssen diese Daten miteinander kombiniert und ausgewertet werden, damit sie vor dem Hintergrund der Kundenbedürfnisse einerseits und der geschäftlichen Ziele andererseits richtig eingeordnet und verwendet werden können.
Dabei kann man leider viel falsch machen. Fehlerhafte Interpretationen und Zuordnungen des Informationsbestands können mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften. Indem zum Beispiel ein Bestandskunde wie ein Neukunde angesprochen und behandelt wird, um ihm ein neues Produktangebot schmackhaft zu machen. Oder wenn dieses Angebot überhaupt nicht zum Bedarfs- und Nutzungsprofil des Kunden passt. Ein Mehrwert entsteht für Kunden wie Anbieter nur, wenn die Kommunikation und das Angebot aus der Sicht des Kunden relevant sind.
Fokuspunkt Mitarbeiter
Ähnliches gilt für den Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sicher kommt es aus Unternehmenssicht wesentlich auf ihre Fähigkeiten an. Doch mindestens ebenso wichtig ist das weitere Umfeld, in das sie eingebettet sind. Mitarbeiter sind nicht nur die Summe ihrer Fähigkeiten, sondern Menschen. Wie sehen ihre weiteren Karrierepläne aus? Besteht der Wunsch, die Arbeitszeit temporär zu reduzieren oder anders aufzuteilen, weil sich Nachwuchs ankündigt oder Angehörige zu pflegen sind?
Die Antworten auf diese Fragen zu kennen hilft, insbesondere in Zeiten demographischen Wandels, die Belegschaft nicht nur an das Unternehmen dauerhaft zu binden, sondern auch gezielt zu fördern, so dass ihre Produktivität und Wertschöpfung im Zeitverlauf steigen. Auch hier kommt es darauf an, den ganzen Menschen im Blick zu haben, um zu wissen, was sinnvollerweise zu tun ist.
Dementsprechend lässt sich von einem holistischen Ansatz sprechen, der nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Produkten seine Gültigkeit behält. Wer Einblick in die gesamte Wertschöpfungskette in Echtzeit hat, kann Lieferschwierigkeiten oder Produktionsverzögerungen antizipieren und damit selbst in solchen Situationen die Kunden zufriedenstellen. Indem ein fehlendes Teil von einem anderen Lieferanten als bislang üblich bezogen wird oder ein Produkt besser an einem anderen Standort gefertigt wird.
Wie der Zugriff auf Wissen gelingt
Dass Wissen wichtig ist und einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung leistet, ist offensichtlich. Da die dafür nötigen Daten und Informationen in den Unternehmen typischerweise verteilt und zum Teil in nur sehr eingeschränkt zugänglichen Silos gleichsam vergraben sind, braucht es zwei Dinge, damit aus Wissen tatsächlich Macht wird: Stammdatenmanagement und Datenvirtualisierung.
Das Stammdatenmanagement sorgt dafür, dass die wichtigsten Daten eines Unternehmens – zu Kunden, Angestellten, Lieferanten, Vermögensgegenständen, Standorten, Materialien, Produkten, Tochterunternehmen, Finanzkonten, Referenzdaten etc. – konsistent und korrekt sind, und das unabhängig davon, wann sie erzeugt wurden oder wo sie aufbewahrt werden.
Lösungen für Master Data Management (MDM) sind der Katalysator, um der verschiedenen Daten sozusagen Herr zu werden. Sie verknüpfen all die unterschiedlichen Kunden-, Produkt-, Angestellten- und anderen eindeutigen Kennungen miteinander und schaffen dadurch die nötigen Verbindungen, um herauszufinden, was sie gemeinsam haben und was nicht. Ein und derselbe Kunde besitzt in jedem System – z. B. für ERP oder CRM etc. – eine jeweils eigene Kennung. Bleiben diese Kennungen unverbunden nebeneinander stehen, kann der Anwender nicht wissen, dass es sich dabei um ein und dieselbe Person oder Firma handelt.
Vornehmste Aufgabe von Lösungen für Stammdatenmanagement ist es deshalb, zuverlässig dafür zu sorgen, dass die Kennungen, die zueinander gehören, korrekt einander zugeordnet werden, und diese Zuordnungen und Verknüpfungen zu validieren. Nur so können die Anwender sicher sein, dass die Daten, die sie zu einem Kunden aufrufen, wirklich zu diesem Kunden gehören und vollständig sind. Aus Anwendersicht sind korrekte und vollständige Stammdatensätze sozusagen das Maß aller Dinge, der „Golden Record“, dem sie vertrauen können.
Ausgehend von diesen Verknüpfungen lassen sich mittels Datenvirtualisierung (DV) diejenigen Bewegungs- und sonstigen Daten heranziehen, die notwendig sind, um bei Abfragen eine vollständige Sicht zu erhalten oder anders ausgedrückt: um aus Daten und Informationen Wissen zu generieren. Mit Hilfe von DV lässt sich zum Beispiel eine vollständige Historie der Interaktionen mit einem Kunden in beliebiger Detailtiefe erstellen. Und weil es sich hier um eine virtuelle Informationssammlung handelt, können die Daten bleiben, wo sie aufbewahrt werden, lassen sich aber zu jedem Zeitpunkt abfragen und aufrufen, wann immer eine vollständige Sicht darauf benötigt wird.
Das klingt freilich einfacher, als es technisch ist. Datenvirtualisierung stellt eine deutliche Weiterentwicklung traditioneller Integrationsansätze wie EAI dar und ist genau dadurch in der Lage, die Grenzen zwischen den einzelnen Silos – Applikationen, Systeme, Datenbanken – zu überwinden, wie es noch vor wenigen Jahren nicht möglich schien.
Stammdatenmanagement und Datenvirtualisierung
„Wissen ist Macht“ ist keine Worthülse mehr, sobald die Unternehmen den Datenzugriff und deren Management beherrschen. Denn dann sind sie in der Lage, zu wissen, was sie wissen, weil sie eine vollständige Sicht auf ihre Kunden, Lieferanten, Angestellten, Produkte etc. haben. Dazu müssen sie jedoch Stammdatenmanagement mit Datenvirtualisierung kombinieren.
Robert Eve ist Senior Data Management Strategist bei TIBCO Software.