Datenanalysen und digitale Transformation: Was wir von Flughäfen lernen können

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Viele Flughäfen sind wie Bahnhöfe in der Provinz. Man will nur schnell weg. Doch es geht auch anders. Dank Datenanalysen, neuer Prozesse und Technologien. Airports in Italien und Asien sind der Beweis.

Warteschlangen, überfüllte Gates, lauwarmer Kaffee aus dem Automaten – so oder ähnlich haben viele den Beginn ihrer Flugreisen im Gedächtnis. Dabei zählt heute nichts mehr als das Kundenerlebnis, das eine Bindung zu einem Anbieter erzeugt, erhält und sogar stärken kann. Eine Herausforderung, die zu meistern gerade im Fall von großen, internationalen Flughäfen eine gewaltige Aufgabe darstellt. Schließlich handelt es sich hier um komplexe Unternehmen mit einer gewaltigen Logistik und einer Vielzahl von Lieferanten und Partnern, die alle nahtlos in die Wertschöpfungskette eingebunden werden müssen.

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Angetrieben und zusammengehalten wird diese Wertschöpfungskette durch Daten und Informationen. Das war zwar schon immer so. Doch erst die moderne IT – von leistungsfähigen und trotzdem preiswerten Speichertechnologien über leistungsfähige Netze mit genügend Bandbreite bis hin zu prognosefähigen Analytics-Lösungen – erlaubt es, den gesamten Datenschatz zu heben und nicht nur einen kleinen Teil davon wie früher.

Eine Reise wert: Der Flughafen Fiumicino in Rom

Die Chance, die in dieser Technologiekonvergenz liegt, hat auch der CIO des Leonardo da Vinci-Fiumicino Airports erkannt. Sein Team und er analysieren unter anderem die Daten der Passagierströme und visualisieren die Bewegungen von Menschen und Gegenständen durch die Hallen und Anlagen des Flughafens. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind in das Design des neuen Abflugterminals mit einer Fläche von 90.000 Quadratmetern und einer Kapazität für zusätzliche sechs Millionen Passagiere pro Jahr eingeflossen. Diese Halle beherbergt nicht nur 22 Gates, sondern auch eine Ladengalerie mit den besten italienischen und internationalen Produkten sowie eine Restaurationsmeile mit feinsten italienischen Gerichten.

Die Bewegungen der Passagiere werden bis zum Gate erfasst und mit anderen Daten korreliert. Dazu zählen Flugdaten oder Informationen zu den Bordkarten, die in den verschiedenen Geschäften benutzt wurden. Aus der Analyse aktueller wie historischer Daten und ihrer Korrelation lassen sich Erkenntnisse zum Kaufverhalten gewinnen, die zur Verbesserung des Angebots verwendet werden.

Zu den weiteren Daten, die gesammelt, miteinander korreliert und analysiert werden, zählen Informationen zu Reservierungen, Parkplatzbelegungen, zum öffentlichen Nahverkehr, zu Mietwägen etc. All das erlaubt eine bessere Vorhersage zum Passagieraufkommen auf dem Flughafen, um große Menschenansammlungen an den Schaltern und Sicherheitsschleusen zu vermeiden, die schnell die Stimmung trüben könnten.

Dieses Beispiel ist umso beeindruckender, als die Analysen nicht nur die Daten des Flughafenbetreibers betreffen, sondern es sich hier um ein Data-Sharing-Modell handelt, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. In der Tat fließen in die Analysen auch Daten ein, die das Eigentum Dritter sind.

Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette und der verantwortungsvolle wie sichere Austausch von Daten zwischen den verschiedenen Gliedern dieser Kette weisen den Weg für integrierte Angebote und Kundenerlebnisse, die im Wettbewerb einen Unterschied machen und einen nachhaltigen, positiven Eindruck hinterlassen.

Die Kombination unterschiedlicher Datenmengen, die Nutzung aktueller wie historischer Informationen, die Analyse zu Verhalten, Einstellung und Konsumneigung von Kunden – all das eröffnet die Chance, den Bedarf verschiedener Zielgruppen zu antizipieren, Marketingaktivitäten maßzuschneidern, die Kundenbindung zu erhöhen und Kunden sogar zu Markenbotschaftern zu machen.

Die Betreiber des Flughafens Fiumicino in Rom haben das Potenzial erkannt, das in der Konvergenz verschiedener Technologietrends und in den Datenschätzen entlang der Wertschöpfungskette liegt und heben es konsequent. Dabei mag das Beispiel auf den ersten Blick vielleicht sogar ungewöhnlich und nur eingeschränkt übertragbar erscheinen. Schließlich ließe sich argumentieren, dass Flugreisende gar keine große Wahl haben und einem Flughafen gar nicht untreu werden können, wenn sie zum Beispiel die Attraktionen der italienischen Hauptstadt genießen wollen.

Technologie für mehr Wettbewerbsfähigkeit

Doch weit gefehlt. Die Zahl der Flugreisenden – sowohl privat wie geschäftlich – nimmt insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung in Asien immer weiter zu. Die Attraktivität der Flughäfen hat vor diesem Hintergrund einen immer wichtigeren Einfluss darauf, welche Destination die wachsende Zahl an Touristen anstrebt und wo Unternehmenslenker und Manager gerne Geschäfte machen. Sie sind damit durchaus ein bedeutsamer Faktor für den Erfolg der lokalen Tourismusindustrien, aber auch die Attraktivität eines Wirtschaftsstandorts insgesamt.

In der Tat: Die Konkurrenz schläft nicht. Die Flughafenbetreiber in Rom stehen in einem harten globalen Wettbewerb. So bezeichnet sich einer der modernsten Flughäfen der Welt, Changi in Singapur, als „eine Destination an sich“. Ein Schmetterlingsgehege, Spa-Bereiche, Hotels, Panoramawege in großer Höhe, ein Irrgarten aus echten Hecken, ein Wasserfall, Riesenrutschen und vorzügliche Restaurants beweisen, dass die Selbstaussage stimmt.

Ein anderes Beispiel für einen internationalen Flughafen, der das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt stellt, ist der Hongkong International Airport (HKIA). Die konsequente Nutzung sämtlicher modernster Technologien ist das Mittel dazu. Ein digitaler Zwilling zum Beispiel schlägt die Brücke zwischen virtueller und realer Welt. Betriebsabläufe lassen sich dadurch simulieren und trainieren, bevor sie tatsächlich implementiert werden. Das steigert die Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Realität funktionieren wie gewünscht und geplant, erheblich.

Weitere Technologie-Initiativen des HKIA sind der Aufbau eines mit Sensoren ausgestatteten Hochgeschwindigkeitssystem für Gepäckbeförderung und die Nutzung von autonomen Reinigungsmaschinen oder fahrerlosen Fahrzeugen für den Transport von Frachtgut und Gepäck auf dem Rollfeld. Oder die Errichtung eines Analysesystems auf der Basis von Videokameras und Künstlicher Intelligenz (KI), um lange Warteschlangen zu verhindern, die eigenen Mitarbeiter dort einzusetzen, wo sie am meisten gebraucht werden, oder den Restaurantbetrieb zu beschleunigen.

Auch Forschungsprojekte zum Beispiel zur automatischen Erkennung von Fremdobjekten auf den Start- und Landebahnen gehören zu diesen Initiativen. Weil bei allen diesen Teilprojekten große Datenmengen im Spiel sind, hat die Hongkonger Luftfahrtbehörde sogar oder besser konsequenterweise eine Lizenz für ein eigenes 5G-Netz erworben, damit die Informationen ungehindert fließen und die intelligenten Anwendungen unterbrechungsfrei und in Echtzeit funktionieren.

Die Zeit zu handeln ist jetzt

Diese drei Flughäfen sind perfekte Beispiele für die smarte Nutzung konvergierender Technologien, die in Summe einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen. Unternehmen, die mit Hilfe und durch Kombination der aktuellen digitalen Technologien – vom Netzwerk bis zur Analysesoftware – das Kundenerlebnis ins Zentrum ihrer Aktivitäten stellen wollen, sollten nicht mehr zögern. Sie sollten vielmehr die Technologien, die bereits verfügbar sind und funktionieren, eher heute als morgen nutzen, sie intelligent auf die eigenen Ziele ausrichten und miteinander kombinieren.

Wichtigster Rohstoff sind dabei die Daten, die sich entlang der Wertschöpfungskette sammeln und in Echtzeit auswerten lassen. Ob im Handel, in der Fertigung oder im Service – die Unternehmen sollten eine Data-Science-Kultur in ihrer Organisation etablieren und fördern, um neue wertschöpfende Geschäftsmodelle zu entwickeln. Als Lohn winken neue Märkte, Cross-Selling- und Upselling-Chancen und höhere Margen – alles Vorteile, die für das Überleben wie den Erfolg im digitalen Wettbewerb sorgen.

Erich Gerber ist Senior Vice President EMEA & APJ, TIBCO Software

TIBCO Software